Charmante Super-Egos ohne Moral

Andrew Feinstein – Waffenhandel, Verlag: Hoffmann und Campe
Andrew Feinstein – Waffenhandel, Verlag: Hoffmann und Campe

Es gibt so einige Berufsgruppen, auf die diese Attribute passen. Anwälten zum Beispiel wird oft ein maßlos übersteigertes Ego bei zweifelhafter Moral nachgesagt. Oder – seit 2008 ganz oben in den Charts – Banker, insbesondere aus dem Investment-Bereich. Erwähnt man den Lobbyisten-Beruf, erntet man angewiderte Gesichter und auch die Kaste der Politiker steht zunehmend in dem Ruf, gerade in vermeintlich stabilen Demokratien, es mit der Redlichkeit nicht so genau zu nehmen.
Oft scheint es, als wären diese Eigenschaften die unbedingte Vorraussetzung für eine erfolgreiche Ausübung dieser Berufe. Sie gehören allerdings auch zur Grundausstattung erfolgreicher Geheimagenten, Trickbetrüger und Heiratsschwindler, ohne einer dieser Branchen zu nahe treten zu wollen. Es soll, was das Moralische betrifft, Dinge geben, die selbst bei einem Trickbetrüger Übelkeit erzeugen.

Bei der Gilde der Waffenhändler sollte man diesen Mangel an Gespür für den Unterschied zwischen “richtig” und “falsch” aber doch deutlich ernster nehmen. Hier geht es schließlich um Menschenleben, und immer geht es um das Leben derer, die einfach nur zwischen die Fronten geraten, nämlich der Bevölkerung.

Andrew Feinstein hat sich für sein Buch “The Shadow World – Inside the International Arms Trade” mit dieser speziellen Spezies der, sich den Kaufleuten zugehörig fühlenden “Makler des Todes”, durch seine jahrelange Recherche tiefer beschäftigt.  Der 47-jährige Autor ist ein Überzeugungstäter. Er gehörte zu den Weißen, die den Kampf gegen die Apartheid und Nelson Mandelas African National Congress (ANC) unterstützten.

Später, als der Kampf vorbei und der ANC an der Regierung war, wollte er einen gigantischen, offensichtlich korrupten Waffendeal der Regierung untersuchen, und wurde von hoher Stelle massiv gehindert.
Er trat aus dem ANC aus und verschrieb sich dem Kampf für strengere Überwachung und Kontrollen des internationalen Waffenhandels.

Durch den Hollywood-Film “Lord of War” mit Nicholas Cage in der Hauptrolle wurde dem breiten Publikum die kalte und zynische Welt des illegalen Waffenhandels vorgeführt. Als Vorbild für die Figur diente der Russe Viktor But, der seit des Zusammenbruchs der Sowjetunion mit allem und jedem handelte. Zum Verhängnis wurde ihm, dass sich amerikanische DEA-Agenten, getarnt als Vertreter der kolumbianischen FARC, für den Kauf von Flugabwehrraketen interessierten. Sie erwähnten dabei die Raketen unter anderem zum Abschuss von Passagiermaschinen einsetzen zu wollen, um Amerikaner zu töten. Dass But von diesen Plänen wusste und sie tolerierte, ermöglichte den USA nach seiner Festnahme in Thailand 2008 die Auslieferung zu beantragen.

Das erste Gericht lehnte eine Auslieferung ab, Butt blieb allerdings in Haft. Nach einer Berufungsverhandlung wurde er dann schließlich im Nov. 2010 an die USA ausgeliefert. Eine Jury sprach ihn nach einer fast einmonatigen Gerichtsverhandlung am 2. November 2011 der Verschwörung zur Tötung von US-Bürgern, zur Tötung von US-Regierungsmitgliedern, zum Abschuss von Flugzeugen und des illegalen Waffenhandels für schuldig. Es erwartet ihn eine mindestens 25-jährige Freiheitsstrafe bis lebenslänglich.

Feinstein reiste jahrelang für seine Recherchen um die Welt und interviewte einige dieser “Lord’s of War”. Er sagt in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung”, durch ihren völligen Mangel an Ethik und Moral bis hin zum Soziopathischen, hatten sie den Drang, ihm von ihren guten Taten zu berichten. Denn diese Leute sehen in dem was sie tun einen Dienst an der Menschheit.

Viktor Bout bei seiner Festnahme durch DEA-Agenten
Foto: Drug Enforcement Administration–U.S. federal government – Viktor Bout bei seiner Festnahme durch DEA-Agenten

Einer der Waffenhändler, ein libanesischer Armenier der seine Karriere bei einer deutschen Firma startete, behauptet, alles was er in den 40 Jahren seiner Karriere getan hat, diente zur Verteidigung der Menschheit. Dass er nationale Gesetze und UN-Embargos brach und unvorstellbar reich wurde, geschah alles so nebenbei. Ein anderer Waffen-Lobbyist berichtete gegenüber Feinstein, er habe in seinem Leben viele schlimme Dinge getan. Aber er meinte nicht die hohen Bestechungsgelder an österreichische Ex-Regierungsmitglieder mit denen er in Verbindung gebracht wurde. Er sprach von zu vielen Frauen und zu viel Wein.

Nach einer Berechnung von Transparency International beträgt der Anteil des Waffenhandels an der weltweiten Korruption etwa 40 Prozent. Eine gigantische Zahl wenn man bedenkt, dass weltweit jährlich 60 Milliarden Dollar in Waffen investiert werden. Feinstein erklärt diese enorm hohe Rate mit der verhältnismäßig geringen Anzahl von Waffen-Deals, die zwischen nationalen Regierungen vergeben werden, wobei aber jeder einzelne Deal Multi-Milliarden Dollar wert und somit von größter Bedeutung für das produzierende Unternehmen ist. Dabei sind es oft nur eine Handvoll Personen in der Regierung, die über die Vergabe der Gelder entscheiden.

Die Waffenschmieden sind sehr eng mit den zuständigen Ministerien und Diensten einer Regierung verbunden, da sie im Prinzip die Basis der nationalen Verteidigung darstellen. Diese enge Beziehung war nie offensichtlicher als in den USA unter der Bush/Cheney-Regierung mit den angezettelten Kriegen in Afghanistan und Iraq. Gleichzeitig halten die Unternehmen auch enge Kontakte zu illegalen Waffenhändlern, weshalb es keinen Unterschied gibt zwischen sogenannten legalen Waffenverkäufen einer Regierung, und dem illegalen Handel über verschiedene Mittelsmänner oder korrupte Regierungsmitglieder. Die Waffen kommen alle aus derselben Produktion, nur die Wege über die sie die Firma verlassen sind verschieden.

Die Untersuchung des Waffendeals von 1999 des ANC, die zum Austritt  Andrew Feinsteins führte, zog seine Kreise auch bis nach Deutschland. In dem Fall in Südafrika flossen 300 Millionen Dollar an Bestechungsgelder von den Unternehmen an den ANC. Auch deutsche Rüstungs-Unternehmen sollen in den 300-Millionen-Topf eingezahlt haben, als Bewerbung, um ein paar Korvetten zu liefern. Der ANC brauchte das Geld damals anscheinend recht dringend – für den Wahlkampf für die zweite Regierungszeit.

Auch die CDU von Helmut Kohl hatte mit ihren Beziehungen zu dem Waffen-Lobbyisten Karl-Heinz Schreiber ihre Rüstungs-Äffäre. Hierbei ging es um Panzer-Geschäfte mit Saudi-Arabien.
Und nach dem Muammar al-Gaddafi in Libyen gelyncht wurde fand man dort im Herbst 2011 unbewachte Lagerhallen, voll bis unters Dach mit Waffen. Gaddafi kaufte den produzierenden Nationen so viel Waffen ab, dass er nicht mal genügend Soldaten hatte, sie einzusetzen. Unter anderem wurden auch Dutzende der sehr gefragten Sturmgewehre G  36 des deutschen Unternehmens Heckler & Koch gefunden. Eine absolute Killer-Präzisions-Waffe. Natürlich weist man bei Heckler & Koch jeden Verdacht eines Verstosses gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz weit von sich. Aber irgendwie müssen die Gewehre ja vom idyllischen Schwabenland in den brennend-heissen Sand der libysche Wüste gekommen sein.

Viele dieser Waffen kann man jetzt auf den Schwarzmärkten, zum Beispiel in Ägypten kaufen. Ein Boden-Luft-Raketensystem, geeignet zum Abschuss von hoch fliegenden Passagiermaschinen ist schon für 50.000 Dollar zu haben.