D-Day in Kenia

Wenn man bedenkt, worüber 14,3 Millionen registrierte Wähler in Kenia am vergangenen Montag mit jeweils sechs Stimmen  abstimmen sollten, könnte man meinen, man befinde sich in einem Land mit alten demokratischen Traditionen, und nicht in Kenia, das erst vor etwas über 50 Jahren seine Unabhängigkeit erlangt hat. Es wurden hier kommunale Wahlen mit den nationalen Präsidentschaftswahlen auf einen Tag gelegt. Die Wähler sind aufgefordert sechs verschiedenfarbige Wahlzettel auszufüllen und in die jeweilige Wahlbox zu stecken. Man muss also um Geduld für das Ergebnis bitten. So etwas braucht seine Zeit.

Unter anderem geht es auch um die Abstellung einer Vertreterin für Frauenangelegenheiten aus jedem Landkreis und das allein gleicht schon fast einer gesellschaftspolitischen Revolution. Außerdem soll die gesamte Politik in Kenia dezentralisiert werden. Die 47 Landkreise sollen deutlich mehr innerhalb ihrer Regionalparlamente entscheiden können, und dann wird auch noch ein neuer Senat gewählt, der den einzelnen Regionen mehr Gewicht in Nairobi geben soll. Es ist also ein wirklicher D-Day in Kenia, denn es gibt ziemlich viel zu wählen für einen einzigen Tag. Das ist schon eine Herausforderung für das Land, und das wäre es auch für Länder, die mehr Erfahrung mit freien Wahlen haben.

Nach den Unruhen nach der letzten Wahl 2007 möchte man nun unter Einsatz einer unabhängigen Wahlkommission (IEBC) für größtmögliche Transparenz sorgen, um den Eindruck von Manipulationen von Beginn an gar nicht erst aufkommen zu lassen. Um zu verhindern, dass Stimmen mehrfach abgegeben werden, werden bei dieser Wahl zusätzlich Computer eingesetzt um die Daten über die abgegebenen Stimmen regelmäßig an die Wahlkommission zu übermitteln. Ob das auch technisch alles so reibungslos funktionieren wird wie geplant, bleibt angesichts des relativ instabilen Internet in Kenia abzuwarten.

Kenia ist ein Land in dem immer traditionell nach der Stammeszugehörigkeit abgestimmt wurde, woraus letztlich auch die blutigen Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2007 resultierten. Damals war das Ergebnis so knapp, weil auch viele Wähler der Volksgruppe der Kikuyu – sie ist die größte Ethnie im Land und konnte somit bisher den Präsidenten stellen – von ihrem Präsidenten Kibaki enttäuscht waren, und auch für den Kanditaten der Luo, Raila Odinga, gestimmt hatten. Damals holte Präsident Kibaki bei der Auszählung der Stimmen seinen Rückstand plötzlich auf und„”gewann“ die Wahl äußerst knapp. Die Luo sahen sich um ihren Wahlsieg betrogen und der Rest ist bekannt.

Und auch bei dieser Wahl versuchen die politischen Gegner hinter den Kulissen gegen die verschiedenen Volksgruppen Stimmung zu machen anstatt mit gutem Beispiel voran zu gehen, und sich als Kandidaten aller Kenianer, unabhängig ihrer Stammeszugehörigkeit, zur Wahl zu stellen. Doch leider gab es schon Wochen vor den Wahlen Berichte von jugendlichen Gangs, die, angeheuert von Mitarbeitern der verschiedenen politischen Lager, in den Armenvierteln und Slums zur Randale gegen Bezahlung und sogar zum Mord an einzelnen politischen Aktivisten oder deren Familien angestiftet wurden. Für den Mord an einer Person gab es etwa 500 kenianische Schilling, nicht mal 5 Euro, die einfache Randale war schon für unter einen Euro zu haben.

Auch bei den Kundgebungen wurden entweder direkt von den Kandidaten oder deren Mitarbeitern fleissig 100 Schilling-Scheine verteilt, obwohl diese Art des Stimmenkaufs natürlich illegal ist. Aber die Armut in Kenia ist groß und die Menschen nutzen die Gelegenheit bei den Wahlveranstaltungen ein paar Schilling extra mitzunehmen. Sie glauben sowieso nicht an eine wirkliche Veränderung ihrer Verhältnisse, also lassen sie sich wenigstens für das stundenlange Anstellen an den Wahlstationen bezahlen.

Die wachsende Mittelschicht in Kenia hofft allerdings sehr wohl darauf, dass nach den Wahlen – egal wer sie nun gewinnt –  die Versprechen, die während des Wahlkampfes gemacht wurden, endlich auch eingelöst werden. Die jungen und zum Teil gut ausgebildeten Kenianer in den Städten fühlen sich auch zunehmend angewidert von der geldgierigen Politkaste, die bisher nur ihre Ja-Sager mit Posten versorgt hat, das Volk aber nach den Wahlen seinem Schicksal überließ. Das Land braucht dringend Investitionen in Schulen und Hochschulen, in Krankenhäuser und in alle Bereiche der Infrastruktur.  Sie hoffen auf eine deutliche Wiederbelebung des Tourismus, der neben dem Export von Tee und Schnittblumen eine der wichtigsten Säulen der kenianischen Wirtschaft darstellt, und sich immer noch nicht an das Niveau von der Zeit vor den Unruhen 2007 eingependelt hat.

Sie hoffen zutiefst, dass ihr Kenia nicht wieder in den Medien der Welt als ein Land von unzivilisierten Mörderbanden dasteht, die es nicht schaffen ein Wahlergebnis zu akzeptieren. Liest man die Kommentare in kenianischen Online-Medien sieht man, dass darin fast ihre größte Sorge besteht. Hier wird, egal welchem Stamm sie angehören, für einen friedlichen Wahlausgang geworben, gebetet und gehofft.